Leseproben der BDSM Romances

 

 

 Sweet Sins 4

Power Play

 

 

 

Versonnen lächelte Julie.

 Bei diesem Anblick schlug Isaks Herz schneller. Dieses süße, aus den Tiefen ihrer Seele kommende Lächeln traf ihn bis ins Mark. Plötzlich wünschte er sich nichts sehnlicher, als alles zu vergessen, Hannas qualvolles Ende, seine Rache, Wayne, seinen Kummer, den Grund für seine Anwesenheit in Australien und den selbst in seinen Augen hinterhältigen Plan. Einen kurzen Moment bedauerte er, Julie nicht unter anderen Umständen kennengelernt zu haben.

 „Ich habe für eine professionelle Seifensiederin drüben in Canberra gearbeitet. Sie hat mir alles beigebracht, was sie wusste. Ich glaube, ihr gefiel, dass ich mich ebenso sehr für die Seifensiedekunst begeistern konnte wie sie selbst. Als sie sich auf ihr Altenteil zurückzog, kam ich nach Sydney.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Der Laden in der Prospery Lane stand zufälligerweise leer, und so habe ich es gewagt, mich selbstständig zu machen. Das erste Jahr war hart. Aber ich habe durchgehalten. Ich wollte das unbedingt schaffen.“

 „Du wolltest dir selbst beweisen, dass du Erfolg haben kannst.“

 Julie starrte ihn überrascht an. Sie zögerte und schien nachzudenken, ehe sie nickte. „Du hast recht, ich wollte unabhängig und auf keinen anderen angewiesen sein.“

 

Ein warmes Gefühl entstand in seiner Brust, breitete sich aus und erfüllte seinen gesamten Körper mit Wohlbehagen. Er hatte vom ersten Augenblick an gewusst, dass in Julie mehr steckte als eine hübsche Frau, die in einem Laden arbeitete. Sich selbstständig zu machen und sich den nötigen Lebensunterhalt zu erkämpfen, erforderte viel Charakterstärke, Arbeitswillen, eine gute Idee und eisernes Durchhaltevermögen. All dies schien ihr innezuwohnen. Sie faszinierte ihn gegen seinen Willen mehr, als es sein durfte, mehr, als er zulassen wollte. Ausgerechnet jetzt regten sich Gewissensbisse in ihm. Julie für seine Rache zu missbrauchen und sie ins psychische Elend zu stürzen, schien ihm mit einem Mal außerordentlich hinterhältig. Er ließ eine unschuldige Frau für die Taten eines anderen büßen. Mit einem Mal kämpften Schuldgefühl, Trotz und Wut in seinem Innern gegeneinander.

 Hanna war ebenfalls unschuldig gewesen, versuchte er sich in Erinnerung zu rufen. Diese Rechtfertigung hatte bisher noch jedes Mal funktioniert. Doch heute waren es nur schale Worte.

 Rasch lenkte er sich ab, indem er ihr weitere Fragen stellte: „Und wie passt der Salsa-Tanzunterricht in das Gesamtbild von Julie Durham?“

 Ihre Miene strahlte förmlich und Isaks Herz stach vor Sehnsucht und Schuldgefühlen.

 „Ich tanze schon seit Jahren.“ Sie sah ihm in die Augen.

 Er erkannte das Feuer und die Leidenschaft darin, dasselbe Temperament, das sie spüren ließ, wenn sie auf der Tanzfläche stand, und das so gegensätzlich zu ihrer devoten Neigung war.

 Lebenslust und Freude, die er zerstören würde, bräche er ihr das Herz mit seinem Verrat. Er erstarrte, als ihm klar wurde, dass es genau das war. Eine Hinterhältigkeit. Er wollte den Gedanken nicht weiterdenken, schob ihn fort, verschloss ihn tief in sich. Stattdessen konzentrierte er sich auf Julies Stimme, auf das Leuchten in ihrem Gesicht und sog es in sich auf. Ihr Licht, ihre Begeisterung und Liebe, er wärmte sich daran, ließ die Illusion zu, dies könnte sein eigenes Herz reparieren. Seine Seele heilen. Ihm helfen, den Verlust von Hanna zu überwinden, und doch wusste er, dass nur Vergeltung die Macht besitzen würde, ihm Frieden zu schenken.

 „Als ich in Sydney sesshaft wurde, hatte ich Lust wieder zu tanzen.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Die Kurse machen Spaß, und ich bin gezwungen, mich von der Arbeit loszureißen.“ Sie lachte hell auf. „Ansonsten täte ich wohl nichts anderes, als Seifen zu sieden.“

 „Was für eine Vergeudung deiner Talente“, neckte Isak sie. „An dir ist eine Tänzerin verloren gegangen.“

 Julie zuckte mit den Schultern, dann grinste sie frech. „Dasselbe kann ich von dir leider nicht behaupten!“

 Ihre kecke Art wirkte auf sein melancholisches Gemüt belebend. Er zwinkerte ihr zu. „Dankeschön, du bist wirklich charmant.“

 Sie lachte, und der Laut sandte heiße Blitze durch Isaks Körper, bis hinunter in seinen Schwanz. Sie ging nicht näher auf die Frotzelei ein, schien aber vorzuhaben, ihn auszufragen. „Was ist deine Sportart?“, wollte sie wissen. „Und behaupte jetzt nicht, du wärst eine Couchpotato.“

 „Karate.“ Es machte wenig Sinn, es zu verheimlichen, denn beim Überfall auf dem Parkplatz musste sie erkannt haben, dass er Ahnung hatte, wie man kämpfte.

 „Wie lange betreibst du das schon?“

 „Seit fast zwanzig Jahren“, erwiderte er.

 „Ehrlich?“ Julie wirkte beeindruckt. „Es muss dir Spaß machen.“

 Isak schlang seinen Arm um ihre Hüfte und ließ seine Hand träge auf ihrer Rückseite auf- und abgleiten. „Karate ist mehr als ein Kampfsport. Es ist eine Lebenseinstellung“, erklärte er. Ihr Geruch, der ihn schon die ganze Zeit gereizt hatte, verführte ihn, sich vorzubeugen. Er versenkte seine Nase in ihrem Nacken und sog ihren süßen Duft ein. „Ich würde dich am liebsten auffressen“, knurrte er und knabberte an ihrem Ohrläppchen. Sie kicherte und die intime Stimmung gefiel ihm.

 Julie schmiegte sich an ihn und stöhnte wollüstig. „Wie lange sind wir schon hier?“, fragte sie, während sie sich rekelte.

 Isak drehte sich um und sah auf den Wecker, der auf der kleinen Kommode neben dem Bett stand. Er brummte unwillig. „Wir sollten uns fertigmachen, der Club schließt bald“, verkündete er.

 Julie fuhr erschrocken auf. „Was?“ Sie wollte aus dem Bett springen, doch Isak hielt sie zurück.

 „Keine Eile, wir haben Zeit“, versicherte er ihr und küsste sie auf die Schulter, um ihre Nähe und Wärme zu genießen. Jäh kochte die Lust in ihm hoch.

 

Sweet Sins 3
Fesselnde Blicke
Nicholas irrte ziellos durch die Gassen. Die Enge und die mediterrane Bauweise hätten ihn zu jedem anderen Zeitpunkt begeistert, aber in der Stimmung, in der er sich im Augenblick befand, wäre ihm selbst das Paradies öde erschienen. Renees Erscheinung tanzte durch sein Kopfkino. Ihre lustverschleierten Augen, die sinnlichen Lippen und der frauliche Körper, schlank, doch mit Rundungen an den richtigen Stellen. Wie sie ihn angesehen hatte! Ihn hatte die Lust, sie zu unterwerfen, in einem Maß überkommen, wie er es selten erlebt hatte. Kurz war er versucht gewesen, sie mit sich zu zerren, um noch in der erstbesten Seitengasse über sie herzufallen. Die Bilder, wie er sie fesselte und ihre Nippel folterte, überrollten ihn, und die Hitze der Begierde trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Ihn erregte die Vorstellung, dass er Renee durch seine Dominanz auf die Knie zwang und zum Zittern brachte so sehr, dass er ihre feucht glänzenden Iriden vor sich sah, als wäre es Realität. In seiner Fantasie hörte er sie bereits stöhnen und um Gnade flehen. Er wusste genau, was er alles mit ihrem Körper anstellen wollte, um sie als die Seine zu brandmarken.
Nicholas hielt mit seinem Fußmarsch inne und schlug die Faust gegen die Hauswand, sodass der Schmerz von seinen Fingerknöcheln bis in seine Ellenbogen sauste.
Keuchend stützte er sich mit der anderen Hand an der Mauer ab und ließ den Kopf hängen.
„Na, du bist aber reichlich angepisst“, ertönte eine Stimme hinter ihm. Er schreckte hoch und sah sich um.
Isak lehnte neben einem Hauseingang, über dem die Triskele angebracht worden war. Er stieß sich ab und kam lässig auf Nicholas zu.
„Probleme mit deiner Frau?“
Seine Frau; das klang gut und fremd zugleich. Er wusste nicht, was er dem Schweden hätte antworten sollen, und zuckte deshalb mit den Schultern.
„Dachte ich es mir! Ihr seid nicht hier, um einen Blick auf die Welt der dunklen Erotik zu erhaschen. Ihr wollt eintauchen.“ Isak holte eine Packung Kaugummis aus seiner Hosentasche hervor. Er bot Nicholas einen Streifen an, ehe er einen in den eigenen Mund schob. „Also? Wer von euch beiden ist es?“
Nicholas ließ sich gegen die Wand sinken und verschränkte die Arme vor der Brust. Isak hob die Hände zu einer beruhigenden Geste. „Cool down, wie ihr Amis sagt!“ Er grinste. „Sorry, geht mich nichts an. Kommst du mit? Ich wollte mir das ehemalige Schulhaus genauer ansehen. Das Gebäude von diesem elitären Kreis der Freunde der O.“, erklärte er, als er Nicholas’ Verwirrung bemerkte.
Nicholas verspürte kein Verlangen danach, sich von Isak aushorchen zu lassen. Andererseits hielt er ihn für harmlos und die Gelegenheit, besagtes Haus anzusehen, ohne verdächtig zu wirken, wollte er sich nicht entgehen lassen. Also stimmte er mit einer Kopfbewegung zu. Sie legten ein strammes Tempo vor. „Wie bist du an deine Einladung gekommen?“, fragte er, obwohl es ihn nicht interessierte.
Isak zuckte mit den Schultern. „Mir gehört ein Schiff, das immer wieder für BDSM-Kreuzfahrten gebucht wird“, erzählte er. „Aber zurück zu dir und Renee: Wer von euch wollte hierherkommen?“ Er warf Nicholas einen neugierigen Seitenblick zu. Als Nicholas nicht antwortete, nickte er wie zur Bestätigung seiner Frage. „Also beide.“
„Nein“, behauptete Nicholas.
Isak lachte, aber es war kein fröhliches Lachen. „Kumpel, du wirst sie verlieren, wenn du weiter auf ahnungslos und guter Kerl machst.“
Den Stich im Herzen, den dieser Kommentar verursachte, war so intensiv, dass es Nicholas bis in den Kiefer hinauf schmerzte. „Wie kommst du auf diese Schnapsidee?“ Er hätte sich gerne über die Brust gerieben, um eine Erleichterung der Pein zu verspüren, aber das hätte ihn vor seinem neuen Bekannten bloßgestellt. Also rammte er seine Hände in die Hosentaschen, ballte sie zu Fäusten und versuchte, über den Schmerz hinweg zu atmen.
„Dir muss doch bewusst sein, dass deine Renee förmlich darum bettelt, dass du sie unterwirfst!“ Isak zog die Augenbrauen hoch und rieb sich nachdenklich die Nase.
„Unsinn“, widersprach Nicholas. „Sicher, BDSM reizt sie, aber man ist auch fasziniert vom Bungeejumping, ohne es probieren zu wollen.“
Isak schnaubte ungeduldig. „Gut, dann reden wir von dir. Du bist dominant, glaub mir. Ich bin lange genug aktiv in der Szene, um einen Gleichgesinnten zu erkennen, wenn ich ihm gegenüberstehe.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Du kannst deine Neigungen nicht unterdrücken. Und sie ebenso wenig. Entweder ihr lernt, damit umzugehen, oder eure Ehe geht flöten. Glaub mir, das wäre nicht die erste Beziehung, die daran zerbricht.“
Nicholas zog es vor, zu schweigen. Jedes weitere Wort hätte zu viel von ihm und Renee verraten. Auch fand er, dass es Isak nichts anging, wie er sein Sexleben gestaltete.
Als ahnte dieser seine Gedanken, rollte er mit den Au-gen. Er sah sich um und stieß ihn an. „Komm mit, sehen wir, ob da drin gespielt wird.“ Er deutete auf ein weiteres kleines Gebäude mit Triskele statt Hausnummer neben der Eingangstür.
Widerstrebend folgte Nicholas Isak. Nur um unauffällig zu wirken, redete er sich ein, während seine Erregung zum Leben erwachte. „Was soll das werden, Isak?“ Was hatte der Schwede vor? Wollte er ihn zu einer Ménage-à-trois überreden? Für Nicholas wäre es ein Seitensprung, er war mit Renee zusammen, und genauso wenig, wie er sie teilen würde, wollte er sie betrügen.
Isak schob ihn mit Nachdruck ins Haus. „Wir sehen zu, und ich will versuchen, dir was zu beweisen.“


Sweet Sins 2

Essenz der Hingabe

 

Betont langsam, aber neugierig, drehte sie sich um und begegnete dem Blick eines Mannes mit roter Seidenmaske. Soweit das unter der Maske zu erkennen war, besaß er Ähnlichkeit mit einem bekannten Schauspieler. Er mochte ungefähr einen Kopf größer sein als Monique, schlank, soweit das unter dem Umhang zu erkennen war, mit scharfgeschnittenen Gesichtszügen und dunklem Haar. Er befand sich in Begleitung eines Mannes, der kleiner, stämmiger, aber nicht weniger attraktiv war.

 

Der Dunkelhaarige der beiden lächelte und schlagartig wirkte er auf Monique sinnlich und gefährlich begehrenswert. Intuitiv erkannte sie, dass er kein devoter Mann war.

 

Er stieß seinen Begleiter an und dieser sah zu ihr hinüber. Auch er musterte sie interessiert und nickte dem Freund zu, der daraufhin mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze und der Aura eines Eroberers zu Monique geschlendert kam.

 

Ein Schauer lief über ihren Rücken und ohne es zu wollen, leckte sie sich über die Lippen, was der Unbekannte mit einem Grinsen registrierte. Als er vor ihr stand, musste sie ihren Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht zu sehen. Er roch noch verführerischer, als er aussah; Grapefruit, Yuzu-Schalen, Pfefferkörner, Tonkabohnen und ein maskulines, undefinierbares Aroma überwältigten Moniques Sinne. Beinahe gaben ihre Knie bei diesem erregenden Ansturm auf sie nach. Sie schluckte, blinzelte und ärgerte sich über diesen betörenden Effekt, den er bei ihr auslöste.

 

Er legte seine Hand ganz sacht auf ihre Schulter, beugte sich über ihr Ohr und schien ihren Duft zu inhalieren, ehe er flüsterte: „Mein Freund behauptet, ich würde hier keine Frau treffen, die mich vom Fleck weg heiratet.“

 

Von allem, was sie erwartet hatte, war dieser Spruch an einem Ort wie diesem so ziemlich das Letzte, was sie sich hatte vorstellen können. Sie lachte und trat einen Schritt zurück. Seine unverschämt intensiv-blauen Augen, die sicher schon viele Frauen bezwungen hatten, funkelten vergnügt.

 

„Auch wenn es mir das Herz bricht, aber mein Freund hat recht, oder?“

 

Monique nickte belustigt. „So leid es mir tut, ja!“

 

Der Mann reichte ihr die Hand. Als sie darauf einging, legte sich seine zweite über die ihre. Obwohl sie eine derartige Geste für gewöhnlich als besitzergreifend und unangenehm empfand, vermittelte sie ihr diesmal ein Gefühl von Schutz und Geborgenheit. Eine Gänsehaut kroch schmeichelnd über ihre Haut, das Atmen bereitete ihr einen Moment lang Beschwerden und ihr Herz raste. Sie versuchte, die körperlichen Auswirkungen zu ignorieren.

 

„Tim“, stellte er sich mit einem leichten, nicht näher identifizierbaren Akzent vor, den Monique ausgesprochen charmant fand. Der Freund tauchte an seiner Seite auf und streckte ihr nun ebenfalls die Hand entgegen. „Und ich bin Steve. Wir hatten nicht mehr gehofft, einer so bezaubernden Frau wie dir zu begegnen!“ Er hob ihre Hand an seine Lippen und musterte sie mit flammendem Blick. „Wie ist dein Name?“ Der Geruch nach schwarzem Tee, Zimt und Gewürzen ging von ihm aus. Eine leckere, exotische Mischung. Das Aftershave passte zu seinen braunen Augen und dem eher kompakten Körperbau. Sie fand ihn auf Anhieb sympathisch und hätte sich durchaus von ihm verführen lassen. Seiner glühenden Musterung nach lag das offenbar auch im Bereich seiner Wünsche.

 

Monique lächelte überlegen. Begeistert von so viel Interesse, das sie erweckte, entschied sie, das Spiel der mysteriösen Unbekannten ein wenig weiter auszureizen. „Nennt mich Mystique.“

 

Die beiden Männer sahen sich kurz an und nickten. Tim nahm ihre Hand.

 

„Wirst du die weiße Maske für den Rest der Nacht tragen oder können wir dich dazu verführen, die rote überzustreifen?“

 

Sie fand Tims Körper attraktiv und seine Hände gefielen ihr. Manikürte Finger, lang, schlank und doch kräftig. Dann konzentrierte sie sich auf sein Gesicht. Ihre Blicke versanken ineinander und ihr Herz schlug schneller. Steve blickte interessiert zwischen ihr und Tim hin und her. Etwas sagte ihr, dass die beiden keineswegs um ihre Gunst konkurrierten, sondern ganz gezielt zusammen auf der Jagd nach einer willigen Gefährtin waren. Ihr Herz geriet ins Stolpern bei diesem Gedanken.

 

„Was bietet ihr mir an?“ Der Pulsschlag dröhnte in ihren Ohren und das Vibrieren kribbelte an ihren Wangen. Sie wäre mehr als willens, die beiden in einen Alkoven zu begleiten, falls sie das im Sinn haben sollten.

 

Tim zog sie an sich, seine Hände glitten unter ihren Mantel und legten sich auf ihre Hüften. Er gab einen kehligen Laut von sich, zog sie noch enger zu sich und Monique ließ es sich gefallen. Als Steve hinter sie trat und sie seinen Körper an ihrem Rücken fühlte, schlug ihr Herz wie frenetisch in ihrer Brust. Steves Mund streifte ihre Schläfe, seine Zungenspitze leckte über den Rand ihres Ohrs und überall dort, wo er sie problemlos erreichen konnte: über das Schlüsselbein, den Nacken und wieder das Ohrläppchen. Lustvolle Schauer rieselten über ihre empfindsame Haut.

 

„Hattest du schon einmal eine Ménage-à-trois?“, raunte er an ihrem Ohr. „Erregt dich die Vorstellung?“

 

Hitze züngelte in ihrem Unterleib und Moniques Begierde erwachte ungewohnt heftig. Sie war kaum in der Lage sich mitzuteilen, registrierte diese Unzulänglichkeit genervt, schluckte und rief sich zur Ordnung. Sie war eine erfahrene Frau, die wusste, was, wann und von wem sie ihre Bedürfnisse befriedigt haben wollte.

 

„Jetzt haben wir sie verschreckt“, meinte Tim über ihren Scheitel hinweg zu Steve.

 

Dessen Hände wanderten liebkosend über ihre Seiten und sie zögerte, ob es nach ihrem Geschmack sein würde, einen Vanillasex-Dreier zu erleben. Andererseits wirkten die zwei nicht unbedingt wie Männer, die unerfahren und langweilig waren und nur auf schnödes Rein-Raus abfuhren.

 

„Vielleicht ist sie doch nur zum Beobachten hier“, entgegnete Steve belustigt. Seine Hand glitt unter Moniques Mantel und tastete in den Falten des Stoffes.

 

„Bin ich nicht!“

 

 

 

Sweet Sins 1

Arie der Unterwerfung

 

„Was denkst du? Hältst du es für möglich, öfter auf derartigen Veranstaltungen zu singen? Oder siehst du dich eher in den Opernhäusern dieser Welt?“ Erik schlug einen leichten Ton an und ein Thema, das Kristin lag. Die Wärme seiner Hand wirkte sich nicht annähernd so auf sie aus wie Davids Berührungen. Sie zwang den Gedanken an ihn beiseite. „Du kennst mich doch. Einmal Oper, immer Oper“, sagte sie.

 

Erik schnaubte. „Du hast also noch nie darüber nachgedacht“, behauptete er.

 

Kristin hatte nie mit dem Gedanken gespielt, die vertrauten Opernpfade zu verlassen. Warum überkam sie plötzlich das Gefühl, ein sehr begrenztes Leben zu führen? Kristin runzelte die Stirn. „Die Oper ist meine Leidenschaft!“

 

„Die Oper ist die Passion deiner Mutter. Deine Hingabe ist das Singen“, argumentierte Erik.

 

Kristin wollte widersprechen, aber dann wurde ihr klar, dass er recht hatte. Mum war es gewesen, die ihre Begabung schnell in das Opernfach gedrängt und sie zu Klassik und Arien ermutigt hatte und alle anderen Musikstile als banal und verhängnisvoll für Kristins Ausbildung stigmatisiert hatte. Derart geimpft und von dem Wunsch beseelt, Sängerin zu werden, hatte Kristin den vorgeschlagenen Weg genommen.

 

Erik ließ ihr den Vortritt in das Klavierzimmer. Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und sank auf dem Stuhl neben dem kleinen Klavierflügel nieder. Kristin lehnte sich an den Flügel und lauschte Eriks Einspielübungen. Virtuos flogen seine Finger über die Tasten. Stakkato, legato, piano, forte, adagio und presto. Sie bedauerte, nicht ebenso gut Klavier spielen zu können. Ihre Talente reichten gerade für einen drittklassigen Kleinstadt-Chor aus. Sie sah über Eriks Kopf hinweg aus dem Fenster, hinaus auf die Bucht. Das Tiefblau des Meeres konkurrierte mit dem strahlenden Himmel, über den vereinzelte Schäfchenwolken wie weiße Tupfen verteilt lagen.

 

Erik stoppte sein Spiel abrupt. „Was läuft zwischen dir und David“, fragte er und an seiner Miene ließ sich ablesen, dass er keine Ruhe geben würde, bevor er nicht eine annähernd zufriedenstellende Antwort erhalten hatte. Kristin spielte mit ihren Fingern, leckte sich über die Lippen und überlegte, was sie ihm erzählen wollte. Am liebsten gar nichts, so ihr erster Impuls, doch dann gab sie sich einen Ruck. Erik war ihr Freund und vielleicht benötigte sie einen Mitwisser.

 

„Wie lange kennen wir uns?“, fing sie an, um Zeit zu gewinnen. Selbstverständlich erinnerte sie sich an den Tag, an dem sie Erik das erste Mal begegnet war. Von da an war der Kontakt nie abgerissen. Sie hatte ihn für einen Posten an der New Yorker Met empfohlen, er hatte wiederum den Opernhaus-Intendanten Adam Collins auf sie aufmerksam gemacht. Und nachdem Mr. Collins sie als Gilda in Rigoletto hörte, engagierte er sie vom Fleck weg. Seitdem waren sie und Erik Kollegen und sehr gute Freunde. Manchmal war es ihr regelrecht unheimlich, wie gut er sie kannte und verstand. Er war immer ehrlich und hilfsbereit gewesen. Sie durfte ihn nicht anlügen. Der Seufzer, den sie ausstieß, kam aus der Tiefe ihrer Seele. „Erinnerst du dich an das, was du vor ein paar Wochen zu mir sagtest?“

 

Erik krauste die Stirn und schüttelte langsam den Kopf. „Ich fürchte, ich weiß nicht, worauf du hinauswillst.“

 

„Man sagte mir, ich käme nicht weiter. Meine Stimme sei lange nicht so, wie sie sein könnte. Du hast mir vorgeschlagen, sexuelle Grenzen auszuloten.“ Sie strich sich nervös das Haar zurück. Sie sah auf ihre Brust, wo sich eine feuerrote Haarsträhne ringelte, griff danach und wickelte die Locke gedankenverloren auf ihren Finger. Der Kontrast zwischen der weißen Haut und ihrem Haar erinnerte sie an Milch und schweren Rotwein. Sie hob den Blick und starrte Erik an. „Ich habe es getan“, gestand sie.

 

„Meine Liebe, du sprichst in Rätseln. Was hast du getan?“ Er zog die Augenbrauen hoch.

 

„Ein Sexdate gesucht!“, platzte Kristin heraus.

 

Erik schlug den Deckel des Flügels zu und sprang auf. „Du hast was?“ Er blinzelte ungläubig.

 

Sie war verletzt. Dass sogar er sie für eine verklemmte Jungfrau hielt, war fast zu viel. „Hältst du mich etwa für prüde?“

 

„Nein, natürlich nicht“, widersprach er und ging zu dem Sideboard, auf dem Gläser und ein Krug Wasser standen. Er schenkte ein und reichte Kristin eines. Er trank und sah sie über den Rand des Glases hinweg an. „Also gut, erzähl mir die ganze Story!“

 

„Ich befolgte deinen Rat und bin auf einen Mann gestoßen“, begann Kristin.

 

„Deine Wortwahl verstört mich ehrlich gesagt. Was meinst du um Himmelswillen mit: Du hieltst dich an meinen Ratschlag?“ Er lehnte sich an das Sideboard.

 

Kristin nippte an ihrem Wasser. „Du sagtest damals, zügelloser Sex würde mir helfen. Also habe ich das getan.“

 

„Du hattest Sex? Bravo“, entgegnete Erik trocken.

 

„Ein Sexdate mit David Larkin“, gestand sie und trankeinen Schluck des eisgekühlten Sprudelwassers, weil ihre Kehle plötzlich wie ausgetrocknet schien. Sie glaubte, die Kälte in ihrem Magen zu fühlen. Von draußen war das Kichern einiger junger Frauen zu hören, die an der Tür vorbeirannten. Die Stille im Raum dehnte sich aus und Eriks Schweigen drückte auf Kristins Gemüt. Sie sah auf seine Hände, die das Glas so festhielten, dass seine Fingerknöchel weiß wurden. Ihr Magen zog sich zusammen und sie bereute es, ihm davon erzählt zu haben.

 

Erik stellte das Wasser hinter sich ab und verschränkte die Arme. „Es ist allein deine Angelegenheit, wann und mit wem du ins Bett gehst. Du bist schließlich kein kleines Kind mehr“, erklärte er. Er musterte sie forschend. „David hat dir doch nichts angetan? Nein? Er hat dich nicht missbraucht?“

 

Der Schock über diesen Verdacht war wie eine Ohrfeige. „Erik!“, rief sie entsetzt. „Auf keinen Fall! Er hat nichts getan, das ich nicht auch wollte.“

 

Erik setzte sich wieder an seinen Flügel. „Gut, dann muss ich ihn nicht töten“, verkündete er mit grimmigem Ernst. Kristin konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass er es tatsächlich so meinte, wie es klang. Erik winkte auffordernd. „Komm, wir haben viel zu tun. Am Freitag ist die Premiere und deine Interpretation der rockigen Stücke muss dringend überarbeitet werden.“ Kristin blinzelte überrascht. Eriks Stimmungswechsel irritierte sie. Sie räusperte sich, verjagte die Gedanken und konzentrierte sich auf die Arbeit.

 

 

 

 

 

 

 

 

Hunting down Clara

- Dear Master 1

 

 

Als es unvermutet an der Bürotür klopfte, schrak sie so sehr aus ihrer dumpfen Grübelei hoch, dass sie fast ein Hüpfer machte. Ihr Herzschlag raste, und sie brachte ihn nur langsam wieder unter Kontrolle, ehe sie sich zur Tür drehte. „Herein.“

Man erwartete, dass in einem solchen Fall die Tür mit einer gewissen Rücksicht geöffnet wurde; dass sie regelrecht aufflog, verriet Clara, noch bevor sie den Eindringling erkannte, dass es sich um Marc handeln musste. Nur ihm traute sie ein derartig ungestümes Verhalten zu.

 Hastig legte sie ihren Bagel auf dem Fensterbrett ab und ging auf Marc zu. „Bist du verrückt geworden?“, fauchte sie. „Warum stürmst du hier rein und schlägst die Tür auf wie ein Vandale?“ Das Herz hüpfte mit unregelmäßigen Sprüngen in ihrem Brustkorb, während sich ihr Blick an Marc festsaugte. Er war offensichtlich ungehalten, da er sich bislang beherrscht und in sich selbst ruhend gezeigt hatte, bewies die vergleichsweise heftige Reaktion, wie sehr er sich ärgerte.

 Clara näherte sich ihm einen weiteren Schritt, nicht bereit, zuzugeben, dass sie Scham und auch ein wenig Furcht vor Marc verspürte.

 „Was ist dein Problem, Clara?“ Aufgebracht funkelte er sie an.

 „Nichts, was soll denn sein?“, fragte sie schnippisch. Dass er sie so durchdringend anstarrte, gefiel ihr kein bisschen.

 Marc griff nach ihrer Hand und wartete. Als Clara stur schwieg, legte er den Kopf schief und musterte sie, als könnte er so herausfinden, was in ihr vorging. Natürlich misslang ihm das. „Entweder du sagst mir jetzt, was los ist, oder ich leg dich übers Knie. Und du weißt, dass ich das nicht nur ernst meine, sondern auch noch Spaß daran haben werde, also zwing mich ruhig dazu!“

 Clara schnappte empört nach Luft. „Du drohst mir?“

 Genervt rollte Marc mit den Augen. „Okay, mir steht nicht der Sinn nach Spielchen. Es langt!“ Er zog sie so abrupt an sich, dass sie gegen seinen muskulös-harten Körper prallte. Im nächsten Moment hatte er sie so fest umarmt, dass kein Entkommen für sie möglich war, egal wie sehr sie zappelte und sich wand.

 „Lass mich sofort los!“, tobte sie, obwohl sie den energischen Griff eigentlich entspannend empfand. Marc war groß und stark, und so relaxt und humorvoll er auch sein mochte, unter seiner Freundlichkeit verbarg sich ein Mann, der sich seine Männlichkeit nicht mehr beweisen musste, der seine Dominanz genoss. Die unnachgiebige Umarmung, gegen die Clara nichts ausrichten konnte, bewies ihr genau das und half ihr dabei, sich wieder zu beruhigen.

 Sobald ihre Kräfte erlahmten, weil sie sich erfolglos gegen Marcs Griff gewehrt hatte, lockerte er die Umklammerung und bevor sie realisierte, was geschah, klatschte seine Handfläche mehrmals auf ihren Hintern, ohne Raffinesse oder Rücksicht auf ihre nach wie vor empfindliche Kehrseite. Clara schrie auf und stöhnte, um erneut gegen Marc anzukämpfen. Sie versuchte, sich gegen ihn zu stemmen. Vergebens.

 Er versohlte sie, zwar nicht wie angedroht übers Knie gelegt, aber dennoch äußerst gekonnt und streng. Der Schmerz war ein scharfes Stechen und Brennen, kaum erotisch und noch weniger erregend. Es war roh und herrisch. Die Schläge waren eine Bestrafung, eine Handlung, die kein bisschen auf Lust und Verführung abzielte. Kaltheiße Schauder überrollten sie und ihr brach der Schweiß aus. Als Marc endlich von ihr abließ, war Clara so erschöpft, dass sie ihm keine Gegenwehr mehr entgegenbrachte, als er sie auf den Besucherstuhl verfrachtete. Ihr Hintern hatte kaum die Sitzfläche berührt und ihr Fleisch gegen die erneute Reizung protestiert, da fühlte sie, wie Marc etwas um sie herumschlang. In Windeseile hatte er sie mit breiten, schwarzen Schnürsenkeln, die er aus seiner Hosentasche zog, an den Stuhl gefesselt. Claras Blick fiel auf seine Doc Martens und erkannte, dass er deren Schnürsenkel zweckentfremdet hatte. Ganz offensichtlich war die Fesselung von ihm geplant gewesen, noch bevor er in ihr Büro eindrang. Hoffentlich brach er sich die Nase, weil er wegen seiner offenen Schuhe stolperte!

 Clara schrie zornentbrannt auf und wollte sich gegen die Knoten stemmen, doch Marc hatte sie so gekonnt festgebunden, dass jede Bewegung sie mehr einengte.

 „Was fällt dir ein? Mach mich sofort los!“ Die Wut wollte förmlich in ihr explodieren. Hitze brannte auf ihrem Gesicht, und sie war überzeugt, ihre Haut glühte fast burgunderrot. Ganz zu schweigen davon, wie die Scham die Farbe intensivieren würde, wenn sie in dieser entwürdigenden Position entdeckt werden wurde. Sie zerrte erneut an ihren Fesseln.

 Marc hatte sich vor ihr aufgebaut, die Arme vor der Brust verschränkt. Er starrte sie an und ließ mit keinem Blinzeln erkennen, was in ihm vorging. Nachdem Clara ein paar Minuten versucht hatte, mit Schimpfen und Zerren freizukommen, sah sie ein, dass sie ihn damit nicht überzeugen konnte, sie freizulassen, also änderte sie ihre Taktik.

 „Es ist genug, kannst du jetzt bitte aufhören mit dem Unsinn?“, bat sie ihn und leckte sich die Lippen. Seine Blicke krochen beinahe über ihren Körper und waren von einer Intensität, dass sie Berührungen gleichkamen. Sie hielt den Atem an, als Marc sich vorbeugte, die Hände links und rechts auf den Armlehnen abstützte und sich ihrem Gesicht näherte, bis sein Mund über dem ihren schwebte.

 „Was wir gestern getan haben, geschah in beiderseitigem Einverständnis. Wir sind keine kleinen Kinder mehr. Wenn du also ein Problem hast, redest du mit mir und tust nicht so, als wäre ich Luft, oder suhlst dich in hochnäsiger Arroganz. Das steht dir nicht und außerdem hasse ich so was!“

 Seine Nähe brachte Claras Magen zum Flattern. Dieses Kribbeln wanderte in ihren Bauch, um sich dort auszubreiten. Auf einmal fiel ihr das Atmen schwer. Sie sah die goldenen Sprenkel in seinen grünen Augen und die Kreise und Wellen seiner Iriden schienen nicht schwarz, sondern in einem sehr dunklen Goldton.

 

Running down Liane

- Dear Master 2

 

Liane zuckte mit den Achseln und aß ihre Suppe weiter, da stieß Dorika einen zischenden Laut aus. „Da ist er wieder! Oh mein Gott, er kommt direkt auf uns zu!“

 Nun verdrehte Liane doch die Augen. Das fehlte noch, ein aufdringlicher Kerl, der ihnen das erste Treffen nach Jahrzehnten versaute.

 „Entschuldigung, alle Tische sind besetzt, darf ich mich dazugesellen?“

 Das samtige Timbre ließ Liane die Haare zu Berge stehen, und ehe sie ablehnen konnte, hauchte Dorika: „Aber sicher doch!“

 Und schon stellte er seine Suppenschale ab.

 „Hallo Adrian“, grüßte Liane kühl, nachdem sie sich gefangen hatte. Von allen Orten in dieser Stadt musste er ausgerechnet hier rumlaufen. Ihr Karma ließ sie wirklich schmählich im Stich.

 Dorika sah in der Zwischenzeit verblüfft zwischen ihr und Adrian hin und her. „Ihr kennt euch?“

 Liane zuckte mit den Schultern, Adrian übernahm es, zu antworten. „In der Tat, das tun wir. Aber lasst euch von meiner Anwesenheit nicht stören.“

 Er nickte ihnen zu und widmete sich seinem Essen. Dorika warf Liane fragende Blicke zu, die sie ihr natürlich nicht beantworten konnte. Wie wurde sie Adrian am schnellsten los? Er hob den Kopf, musterte Dorika flüchtig und reichte ihr die Hand. „Ich bin übrigens Adrian Liebig.“

 Dorika ergriff bereitwillig seine Finger. „Dorika Petrovic.“ Sie himmelte ihn an und aus irgendeinem Grund verärgerte es Liane. Lag es daran, dass ihre Freundin bei seinem Anblick fast sabberte oder weil sie Liane im Moment links liegenließ?

 Dafür schenkte Adrian Liane seine Aufmerksamkeit. „Wie geht es dir?“

 „Danke, gut“, erwiderte sie steif und sah zu Dorika, die mittlerweile ihr Essen in sich hineinschaufelte, während sie Adrian und Liane beobachtete, als seien sie eine äußerst spannende Unterhaltungsshow im Fernsehen.

 Liane wandte sich ihrer Suppe zu und zermarterte sich das Hirn, wie sie Dorika möglichst beiläufig aus der Halle schaffen konnte, um aus Adrians Dunstkreis zu entkommen.

 „Woher kennt ihr euch?“ Das listige Funkeln in Dorikas Augen gefiel Liane nicht. Ihre alte Freundin heckte was aus, darauf hätte Liane ihre Scheidungspapiere verwettet.

 „Wir haben zusammen studiert“, erklärte Liane ihrer Freundin widerwillig.

 „Dann bist du Anwalt?“ Dorika richtete diese Frage an Adrian, ihn ganz selbstverständlich duzend.

 „Nein, ich bin Staatsanwalt.“ Er griff nach einer Brotscheibe, riss ein Stück ab und steckte es sich in den Mund. Wieso fiel Liane auf einmal auf, was für sinnliche Lippen er hatte? Ihr Mund trocknete aus, und sie beobachtete, wie seine Kiefer mahlten, seine Gesichtsmuskeln sich bewegten und sein Kehlkopf hüpfte, als er schluckte. Die Andeutung eines Bartschattens lag auf Kinn und Wangen. Unterhalb des linken Auges entdeckte sie einen winzigen Leberfleck. Seine Zungenspitze schnellte hervor, Adrian leckte über seine Unterlippe und Liane schoss pure Lust in den Unterleib, als sie sich daran erinnerte, wie heiß ihr Aufeinandertreffen in der Büroküche gewesen war.

 Siedende Hitze erfasste sie. Dennoch nagten seine bösartigen Unterstellungen wegen des Films an ihr, der damals am Campus umging. Er hatte kein Recht ihr das nachzutragen und sie rollte gedanklich mit den Augen. Und warum stand er bei ihnen herum? An einem Gespräch war er offenbar nicht interessiert, und an mangelndem Platz lag es nicht, denn zwei Stehtische weiter vertilgte ein Mann, allein an einem Tisch stehend, eine riesige Portion Gyros. Er hätte genauso gut dort essen können!

 Dorika schien von Lianes innerem Zwiespalt nichts mitzukriegen und strahlte Adrian an. „Ein Staatsanwalt also, wie interessant! Liane hat mir erzählt, dass die Augsburger Staatsanwälte ganz besonders streng sind.“ Ihre Freundin lachte, wie Liane fand, eine Spur zu dreckig, ehe sie das Spiel auf die Spitze trieb. „Liane könnte ein wenig Führung brauchen, meinst du nicht auch?“

 „Dorika!“ Liane war entsetzt über die dreist-offensive Art ihrer Freundin, sie verkuppeln zu wollen und dass sie genau das plante, war einfach offensichtlich.

 Adrian warf Liane einen langen Blick zu. Dann richtete er sich auf, rieb seine Hände aneinander und schenkte Dorika einen trägen Blick. „Kommt ganz drauf an“, entgegnete er und wandte sich unvermittelt an Liane. „Wie siehst du das, Liane? Brauchst du jemand, der dich ein wenig zügelt?“

 Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder, weil sie nicht so recht wusste, was sie darauf antworten sollte. War die Bemerkung sexuell motiviert, wären die Worte, die ihr auf der Zunge lagen, passend gewesen, wenn er es anders gemeint hatte, könnte es peinlich werden.

 „Tu dir keinen Zwang an. Du weißt doch, dass ich an deinen Lippen hänge.“ Er lächelte süffisant.

 Sie legte ihren Löffel etwas zu geräuschvoll auf den Unterteller und fixierte Adrian wütend. „Das reicht! Wenn aus deinem Mund noch einmal Derartiges kommt, kriegst du eine Anzeige wegen sexueller Belästigung, die sich gewaschen hat!“

 Dorika sog hörbar, aber vor allem entsetzt die Luft ein. „Liane!“

 Adrian wirkte völlig ungerührt. Er machte einen Schritt auf Liane zu, die erschrocken zur Seite und ein Stück nach hinten auswich und gegen die Rückwand eines Standes stieß, der ihr ein weiteres Entkommen unmöglich machte. Um sie an einer Flucht zu hindern, hob er seine Hände und stützte sie links und rechts von ihrem Kopf an der Holzwand ab. Sie spürte die Ärmel seines Jacketts an ihren Schlüsselbeinen. Er war ihr nahe genug, um die wenigen, fast durchscheinenden Sommersprossen zu sehen, die seine Jochbeine sprenkelten. Ihr Blick flimmerte. Liane fühlte sich wie ein erstarrtes Kaninchen vor einer tödlichen Kobra. Ihr ihrem Gehirn herrschte ein Vakuum, sie wusste nicht, was sie sagen oder denken sollte. Also hielt sie vorsichtshalber den Mund, um sich nicht lächerlich zu machen. Dorika stand einfach da und beobachtete das Geschehen. Diese Verräterin!

 „Das mit der Anzeige solltest du dir gut überlegen.“

 Liane hatte den Eindruck, seine Stimme vibrierte in ihrer Kehle und sie schluckte mühsam.

 „Wir beide sind erwachsen“, fuhr er in einem seidenweichen Tonfall fort. „Wir wissen doch ganz genau, was los ist.“

 Lianes Herzschlag trommelte wie wild gegen ihre Brust. Als er sich vornüberbeugte, und seine Lippen ihr Ohr berührten, wäre sie unter der Vielzahl der Emotionen, die sie nun überschwemmten, fast zusammengesackt. „Irgendwann müssen wir uns unseren Gefühlen stellen.“